Internet-Ausstellung:
Der Nürnberger Prozeß
"Göring ist in seinem Element. Nach den langen peinigenden Monaten des Zuhörens
und Schweigens kostet er jetzt jede Minute aus, die ihm zum Reden gegeben ist.
Und man erkennt aus Formulierungen und der Anlage seiner Aussage, daß er das
Nürnberger Gericht auch als Forum der Weltöffentlichkeit betrachtet. Seine
Aussage ist weniger eine Verteidigung gegenüber einzelnen Punkten der Anklage
als die Darlegung seiner Weltanschauung, seiner weltpolitischen Auffassung."
Diesen Text von Eberhard Schütz sendete der BBC am 15. März 1946 als
Berichterstattung über den Nürnberger Prozeß. Er ist Teil einer neuen
Internet-Ausstellung: "Der Prozeß gegen die NS-Hauptkriegsverbrecher vor dem
Internationalen Militär-Tribunal (IMT) in Nürnberg, 20. November 1945 bis 1.
Oktober 1946". Die digitale Dokumentation wurde von der Stiftung Topographie des
Terrors in Kooperation mit der Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv und dem
Imperial War Museum London erarbeitet. Anlaß ist der 55. Jahrestag der
Urteilsverkündung am 1. Oktober 2001.
Die Dokumentation, mit der sich die Stiftung Topographie des Terrors erstmals an
die Nutzung des Internets als Ausstellungsmedium für eine breite Öffentlichkeit
wagt, nutzt die Möglichkeiten des neuen Mediums und präsentiert anschaulich
Hintergründe und Zielsetzung des Nürnberger Prozesses.
Der Leser findet zunächst ausführliche Informationen über die Gründung des
Internationalen Militärgerichtshofes, die Wahl Nürnbergs als Prozeßort, das
Justizgebäude, den Verhandlungsverlauf und Folgeprozesse. Die Ausstellung
konzentriert sich jedoch auf den tatsächlichen Prozeßablauf, indem sie
exemplarisch die Verhandlung von fünf Hautangeklagten darstellt.
Hermann Goering, Reichsluftfahrtminister und zweiter Mann im NS-Staat, Ernst
Kaltenbrunner, seit 1943 Chef des Reichssicherheitshauptamtes, Dr. Hans Frank,
Generalgouverneur von Polen, Fritz Sauckel, Reichsbevollmächtigter fuer den
Arbeitseinsatz und Arthur Seyss-Inquart, Reichskommissar für die Niederlande.
Biographische Angaben zu diesen Angeklagten beleuchten exemplarisch die
Verantwortungsträger des NS-Regimes und geben Einblick in die Tragweite der
NS-Verbrechen, die vor dem IMT in Nürnberg verhandelt wurden. Neben inhaltlichen
Erläuterungen und Bildmaterial ergänzen Tondokumente aus dem Gerichtsverfahren
die Dokumentation.
Besonders lesenswert ist das gesonderte Kapitel über die
Prozessberichterstattung, da der Prozeß zumindest in der Anfangs- und
Schlußphase auf ein umfangreiches Medieninteresse stieß, teilweise verfolgten
mehr als 200 Pressevertretern das Geschehen. In der deutschen Öffentlichkeit
fand der Prozeß jedoch nur wenig Widerhall. Den Fragen nach Schuld und
Verantwortung wollten sich die Deutschen nicht stellen. Man vergrub sich in die
schweren Herausforderungen des Nachkriegsalltags und sah Nürnberg als Prozeß der
Alliierten.
Die Ausstellung ist unter
http://www.topographie.de/imt im Internet abrufbar.
aue / hagalil.com / 22-10-2001 |