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Bücher / Morascha
 

Nachtrag:
Eine zerstörte Kultur (II)

Von Petr Vasicek

Der bereits einmal hier angekündigte Band mit dem Untertitel "Jüdisches Leben und Antisemitismus in Wien seit dem 19. Jarhundert" nennt 4 Herausgeber und 21 Autoren. Darunter sind Beiträge von Steven Beller, Michael Ley, Nina Scholz, Robert S. Wistrich oder Marsha L. Rozenblit, die eigentlich Zusammenfassungen grösserer Arbeiten der genannten Wissenschaftler sind.

Was bei der Masse an Autoritäten dann doch überrascht, ist (neben Flüchtigkeitsfehlern) das Fehlen größerer Zusammenhänge - ich erinnere hier z.B. an die Studien von Petrus van der Let zum Thema "Rasse Mensch" und das psychopathologische Umfeld in Österreich zur Jahrhundertwende - und auch die Analogien zu heute: kein Wort über die Tragödie des Marcus Omofuma in Wien am 1.Mai 1999 - eine Affäre, die bis heute nicht geklärt ist.

Oder: seitenweise wird über Dreyfus geschrieben, kein einziges Wort fällt aber über den bis heute von Wien nicht rehabilitierten Leopold Hilsner! Als ob man noch immer ähnlich blind wäre wie seinerzeit Theodor Herzl, der zwar aus Paris über den Dreyfus-Prozess zu berichten wusste, den "eigenen", österreichischen Dreyfus namens Hilsner jedoch ignorierte. Da hätte in einem im Jahre 2002 in Wien herausgegebenen Buch zur jüdischen Thematik auf jeden Fall etwas kommen müssen! Auch und gerade angesichts der immensen Schwierigkeiten, die mit den wenigen erfolgreichen Unternehmungen wie Gedenktafel, Grabstein-Renovierung oder Hilsner-Ausstellung verbunden waren.

Weitere Defizite: Tomás Garrigue Masaryk taucht ebenfalls kein einziges Mal auf. Also einer der ganz ganz Wenigen, die sich in Wien dem antisemitischen Ritualmordwahn 1899/1900 widersetzten und der sich in einer hysterisch aufgeputschten Atmosphäre für sein Engagement den Hass und die Abneigung aller Seiten (inkl. der sog. etablierten jüdischen) zuzog und der in Österreich trotz seines pro-österreichischen Engagements während der Ersten Republik heutzutage totgeschwiegen wird. 

Unerwähnt sind weitere Experten zum Thema, so z.B. Bohumil Cerný (Prag), Radan Hain (Zürich) oder Hillel J. Kieval (St.Louis/USA).

Nur in Andeutungen stecken bleibt das Kapitel Tschechen in Wien, es geht kaum über die Reflexion in Brigitte Hamanns Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators hinaus. Daß ein Arnold Rosé als Konzertmeister der Wiener Philharmoniker und Schwiegersohn Gustav Mahlers es ablehnt, mit dem tschechischen Paganini Frantisek Ondrícek aufzutreten (klingt da nicht jenes ominöse Wir wollen doch gar keine Tschechen an?).

Daß es aber gerade auch Wiener Tschechen waren, die einen Machar behinderten, Hilsner ignorierten (der vermied dann nach seiner Freilassung 1918 auch jeglichen Kontakt mit der tschechischen Minderheit), sich auch vehement gegen die posthume Ehrung Masaryks in Wien widersetzten (so z.B. konnten die Miniaturtafel am Petersplatz nur durch das Insistieren von Bruno Kreisky realisiert werden), sollte sicherlich nicht unerwähnt bleiben. Insbesondere dann nicht, wenn ein ehemaliger Stalinist wie Pavel Kohout anläßlich der EU-Empfehlungen gegen die schwarzblaue Regierung in Österreich den advocatus diaboli spielen zu müssen glaubt, Costa-Gavras zu kritisieren wagt und beim Nigerianer Omofuma noch rassistisch fragt: "was ist Omofuma?"

Fazit: für Experten bringt das Buch kaum etwas Neues, als Einführung jedoch ist es zu gebrauchen, ergänzende Lektüre ist dann dringend notwendig.

hagalil.com 14-10-02


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