Jüdisches Museum Berlin, 23. Mai bis 17.
August 2003
John Elsas (1851-1935) hat sein einzigartiges künstlerisches
Werk als 74jähriger begonnen und nach seinem Tod an die 25.000
Blätter hinterlassen: gezeichnet, geklebt und mit gereimten Versen
versehen.
In seinen lebensklugen Blättern reflektiert Elsas auf leichte und
meist ironische Weise das gesellschaftliche und politische Leben
seiner Zeit: Philosophisches und Lebensweisheiten, Künstlertum und
jüdische Identität, Frankfurt und die Börse. Man kann durchaus eine
geistige Verwandtschaft mit Heinrich Hoffmann, dem Frankfurter
Nervenarzt und Erfinder des Struwwelpeters erkennen, obgleich beide
in verschiedenen Jahrhunderten gewirkt haben.
"Ich sag' in der Hanswurstenwelt eine Fahne gut
gefällt" 8.1.1933
© Museum im Lagerhaus St. Gallen |
"Es macht im Leben doch Verdruss, dass man auch
einmal sterben muss" 10.10.1934
© Museum im Lagerhaus St. Gallen |
John Elsas entstammte einer angesehenen jüdischen Frankfurter
Familie. Von Beruf war er Bankier und Börsenmakler. Anfang der 20er
Jahre begann er zunächst nur für seine Enkel zu reimen und zu malen.
Ab 1925 bekamen seine Bilder, die meist mit einem Vers am unteren
Bildrand versehen waren, ihren unverwechselbaren Stil. Durch eine
schwere Krankheit ans Haus gefesselt, widmete er sich ganz seiner
Kunst. Schon zu Lebzeiten erntete John Elsas mit seinen Bildern in
Galeristen- und Kritikerkreisen höchste Anerkennung. Benno
Reifenberg und Max Osborn schrieben begeisterte Kritiken. 1929
wurden seine Bilder erstmals in Berlin in Herwarth Waldens "Sturm"-
Galerie ausgestellt.
John Elsas' Tochter Irma ordnete nach seinem Tod den
umfangreichen künstlerischen Nachlass, der während des Zweiten
Weltkriegs unangetastet in einem Versteck erhalten blieb. Irma Elsas
selbst hat die Nazi-Herrschaft nicht überlebt. Sie wurde am 18.
August 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 1. Mai 1944
umkam. Die in zwei stabilen Holzkisten aufbewahrten Blätter
gelangten 1954 an John Elsas Enkel Herbert Raff in Zürich. Dieser
schenkte 1999 den Nachlass seines Großvaters der Stiftung für
schweizerische naive Kunst und art brut in St.Gallen.
Das Jüdische Museum zeigt rund 200 Zeichnungen, Collagen und
Sinnsprüche von John Elsas. Die Ausstellung wurde vom Jüdischen
Museum Berlin in Kooperation mit dem Struwwelpeter-Museum Frankfurt
am Main und dem Museum Im Lagerhaus, St. Gallen, Schweiz,
realisiert.
"Wenn ich hab zu Haus genascht, hat man stets
mich überrascht" 1931
© Museum im Lagerhaus St. Gallen |
"Zuerst wird das Bild gemalt, und dann wird es
aufgeklebt, weil sich hierdurch die Plastik hebt" 10.11.1929
© Museum im Lagerhaus St. Gallen |
Begleitprogramm:
In einem Workshop werden zunächst die Bilder in der Ausstellung
betrachtet, bevor dann selbst zur Schere gegriffen und Klebebilder -
ganz im Sinne von John Elsas - hergestellt werden. Papier und Stoff,
Federn und nicht zuletzt Worte werden eingesetzt, um Gedanken und
Ideen gestalterisch umzusetzen. Der Workshop ist für junggebliebene
Menschen jeden Alters gedacht und findet nur nach Anmeldung statt.
30. Mai bis 30. Juni 2003, Montags und Freitags, 10 bis 12 Uhr
Tel.: 030 - 25993305, E-Mail:
ferienprogramm@jmberlin.de