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Parschat Noach
Wie man mit Freunden diskutiert
Kaum etwas ist sinnloser, enttäuschender und möglicherweise auch
gefährlicher als ein Streit über die Religion. Es gibt drei Themen,
über die höfliche Menschen in Gesellschaft nicht reden sollten.
Politik und Intimitäten gehören dazu; aber die Religion löst am
häufigsten angriffslustige Reaktionen aus wie: "Ach, wirklich?
Beweisen Sie das!" Aber wir alle wissen, dass wir früher oder später
wieder über Religion diskutieren werden.
Es geht hier nicht um Gespräche mit dem Rabbi oder um
Diskussionen über die Bedeutung einer Textstelle, auch nicht um
Meinungsverschiedenheiten mit einem nichtjüdischen Freund, der Ihren jüdischen
Glauben herausfordert. Nein, unser heutiges Thema ist der spirituelle Streit mit
einem Menschen, der behauptet, ungläubig zu sein. (Das ist immer ein
fragwürdiger und unsicherer Standpunkt, denn im Grunde ist es sehr schwierig,
wirklich ungläubig zu sein. Atheisten lauern nicht in Schützengräben, und die
meisten Leute, die behaupten, an nichts zu glauben, warten nur darauf, bekehrt
zu werden, oder bitten sogar darum.) Wer die Religion für Unsinn hält, weist
meist auf angebliche Widersprüche, unmögliche Wunder und fantastische
Behauptungen in der Bibel hin.
Vergessen wir einen Augenblick, dass solche Wortgefechte meist
sinnlos sind. Wie bereits gesagt, geraten wir früher oder später doch in solche
Auseinandersetzungen, ob es uns gefällt oder nicht. Hier sind ein paar Tipps,
wie Sie am besten vorgehen:
1. Streiten Sie nicht über die Fakten. Ihr Opponent wird
sagen, Noach könne zur Zeit der Flut unmöglich 600 Jahre alt gewesen sein. Sie
können das nicht beweisen — aber er kann es nicht widerlegen. Also liegt hier
ein Patt vor. 2. Verteidigen Sie nicht G–tt, er hat es
nicht nötig. Wenn Ihr Freund fragt, warum der Schöpfer fast alle
Lebewesen vernichten wollte, erklären Sie ihm: Unser Verständnis für
den Willen G–ttes wächst langsam und nur dann, wenn wir sein Wort
sorgfältig und aufgeschlossen studieren. 3.
Denken Sie daran, warum Sie die Torah haben. Sie ist ein Leitfaden,
eine Gedächtnisstütze. Sie können sich an die Torah wenden, wann
immer Sie Hilfe brauchen, denn sie ist "ein Baum des Lebens für
alle, die an ihr festhalten". Sie können den Glauben nicht
"erklären". Sie können ihn nur vertrauensvoll leben, so dass andere
sehen, wie viel Frieden und Weisheit er schenkt.
4. Erzählen Sie Geschichten aus der Torah. Ohne die
Unwissenheit des anderen zu erwähnen, können Sie durch Ihr Wissen über die
wunderbaren Lektionen der Torah ein wenig Licht und Ehrfurcht in die Diskussion
bringen.
Übrigens: Welchen Vogel hat Noach ausgeschickt, um "das Wasser
zu prüfen"? Die meisten Leute glauben, es sei eine Taube gewesen. Aber zuerst
hat er einen Raben geschickt, erst danach die Taube. Was bedeutet das? Der Rabe
ist ein Raubvogel, die Taube frisst Pflanzen. Der Rabe suchte nach Aas, die
Taube nach Blättern, die vor dem Aas kommen müssen. Was also tat Noach? Er
lernte. Er wuchs. Er wurde klüger. Und wenn Sie über die Symbolik und die Moral
der Torah und über den Sinn des Lebens sprechen, dann streiten Sie nicht mehr.
Sie lernen, Sie wachsen, und Sie werden weiser.
Und vielleicht geht es Ihrem Freund ebenso. Wenn alle
Gespräche über die Religion diesen Verlauf nähmen, müsste niemand mehr vor ihnen
warnen.
Leitgedanken
"Sie empfing und gebar Chanoch. Er wurde Städtebauer, und er
nannte die Statt nach seinem Sohn Chanoch" (4:17).
Frage: Warum nannte er seine Sohn und die Stadt "Chanoch"?
Antwort: Als Kajin seine schreckliche Tat beging und seinen
Bruder tötete, wurde ihm klar, wie schlecht seine Moral war und wie weit er
gesunken war. Nach langem Nachdenken erkannte er, dass ein Mensch von Kindheit
an richtig erzogen werden muss, um nicht vom rechten Weg abzukommen und übel und
unmenschlich zu handeln. Darum setzte er sich für eine gute Erziehung ein.
Als sein Sohn geboren wurde, nannte er ihn und die ganze Stadt
Chanoch. Der Name stammt vom Wort chinuch, "Erziehung". Kajin wollte damit
betonen, dass Eltern verpflichtet sind, ihre Kinder von Geburt an richtig zu
erziehen. Aber damit dürfen sie sich nicht begnügen — sie müssen "die ganze
Stadt" richtig erziehen!Der Standpunkt des Rebbe
Gedanken und Einsichten des Lubawitscher Rebbe
Verbotene Früchte
Manchmal sagen die Weisen zu uns: "Diese Weisheit ist
grenzenlos. Sie enthält eine Wahrheit, für die du noch nicht reif bist." Aber
wenn die Seele gesund ist, dann dürstet sie um so mehr nach dieser Weisheit, und
genau das ist der innere Grund für die Worte der Weisen.
Die richtige Ware
"G-tt sprach zu Noach: Kommt, du und dein Haus, und geht in
die Arche" (Noach 7:1).
"Das hebräische Wort für "Arche" ist teiwa. Es bedeutet auch
"Wort". Der Allm-chtige sagt also: Komm zum Wort, geh in die Worte des Gebets
und der Torah hinein; dort findest du ein Heiligtum aus Weisheit, Sinn und
Heiligkeit mitten in der tosenden Flut des Lebens." (Rabbi Israel Baal Schem
Tow)
Eines Tages bekam Rabbi DowBer, der "Maggid" von Mesritsch,
Besuch von einem alten Freund, der mit ihm studiert hatte, ehe es die Chassidim
gab. Gespannt beobachtete der Gast seinen früheren Kollegen, der inzwischen ein
Anhänger des Baal Schem Tow war und nach dessen Tod die Leitung der
chassidischen Gemeinde übernommen hatte.
Der Besucher war besonders erstaunt darüber, wie lange der
Maggid betete. Das meditative Gebet war ihm nicht fremd. Er hatte gemeinsam mit
dem Maggid die mystischen Lehren der Kabbalisten studiert und die in der Kabbala
vorgeschriebenen Meditationen (Kawonos) geübt. Aber nie hatten ihre Gebete so
lange gedauert.
"Das verstehe ich nicht", sagte er zu Rabbi DowBer. "Ich bete
auch mit allen Kawonos des heiligen Ari, so wie sie in seinen kabbalistischen
Werken beschrieben sind. Dennoch brauche ich viel weniger Zeit als du."
Rabbi DowBers Besucher war ein hingebungsvoller Gelehrter.
Seine Frau führte den Familienbetrieb, so dass er sich ganz dem Studium der
Torah widmen konnte. Nur einmal im Jahr musste er seine Studien für einige
Wochen unterbrechen, denn seine Frau gab ihm eine Liste mit Waren, die sie
brauchte und die er auf dem Markt von Leipzig besorgen musste.
"Hör zu", sagte Rabbi DowBer, "ich mache dir einen Vorschlag.
Warum vergeudest du jedes Jahr wertvolle Zeit des Studiums? Bleib dieses Jahr zu
Hause. Visualisiere die Reise nach Leipzig vor dem geistigen Auge: jede Station
auf dem Weg, jede Kreuzung, jede Herberge. Dann stell dir vor, du bist auf dem
Markt, du feilschst und mit dem Händlern, du kaufst Waren und lädst sie auf den
imaginären Karren und fährst zurück nach Hause. Dafür brauchst du höchstens ein
paar Stunden, dann kannst du dich wieder deinen geliebten Büchern zuwenden!"
"Das ist ja gut und schön", meinte der Freund. "Aber es gibt
da ein kleines Problem: Ich brauche die Waren."
"Das Gleiche gilt für das Gebet", erwiderte Rabbi DowBer. "Es
ist gut und schön, sich an bestimmten Stellen des Gebetes dieses oder jenes
Attribut G–ttes vorzustellen oder an einer bestimmten Stelle an ein bestimmtes
Gefühl zu denken. Aber weißt du, ich brauche die richtige Ware!"
hagalil.com
11-10-02 |