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Rosch Haschanah
Holen Sie tief Luft
Wenn Sie ein bewegendes Buch lesen, denken Sie hinterher, im
täglichen Leben, noch eine Weile an die Geschichten und Personen
und werden vielleicht sogar davon beeinflusst. Wenn Sie einen
Menschen treffen, den Sie bewundern, beeinflusst er Sie
ebenfalls. Denken Sie an Ihre Persönlichkeit: Hat sie nicht ein
wenig von der Würde Ihres Vaters an sich, vom Mitgefühl Ihrer
Mutter, von der Leichtlebigkeit Ihres besten Schulfreundes? Wir
entwickeln uns im Laufe unseres Lebens weiter, und zum Teil
imitieren wir dabei andere Menschen.
Es gibt noch andere Arten der Inspiration: Sie erfahren von
einer Heldentat; Sie hören eine Bemerkung, die etwas nützliches
über das Leben sagt; Sie lauschen der Predigt in der Synagoge.
Was ist eigentlich Inspiration? Warum reagieren wir auf
bestimmte Worte und Taten? Inspirieren bedeutet wörtlich
"einatmen". Wie der Duft unserer Lieblingsspeisen erfüllt uns
eine Inspiration mit einem Glücksgefühl. Wir haben nichts dafür
getan oder geleistet; dennoch lenkt die Inspiration uns in eine
gute Richtung. Aber zuerst muss sie da sein, und wir müssen
bereit sein, den Duft einzuatmen.
Genau darum geht es in monat
Tischrei. Alles, was Sie bewegt, was Sie inspiriert und
Ihnen den richtigen Weg zeigt, hat etwas mit Tischrei zu tun.
An Rosch Haschana feiern wir die Geburt der Welt und die Quelle
der Schöpfung. Wir verstehen, dass jeder Anfang in unserem Leben
G–ttes Segen braucht.
In den zehn Tagen der Reue denken wir an unsere Grenzen, Fehler
und Schwächen, aber auch an unsere Fähigkeit, zu bereuen, zu
wachsen und besser zu werden. Am Jom Kippur rezitieren wir Kol
Nidre und schwelgen im Wunder der g-ttlichen Vergebung, nicht
nur für vergangene Taten, sondern auch für die Fehler, die wir
als Menschen noch machen werden.
Es ist nie zu spät, zu G–ttes Wort zurückzukehren. Sukkot bringt
uns wieder auf die Erde, und wir genießen die Fülle, die wir
empfangen haben. Und wenn wir durch die Äste der Sukka nach oben
schauen, wissen wir, woher die Fülle kommt. Schmini Azeret und
Simchat Torah heben uns erneut empor, und wir stehen ehrfürchtig
vor der Transzendenz der Torah und ihrer unendlich vielen
Lektionen über das Leben.
Jeder Feiertag inspiriert uns auf seine Weise. Doch um
inspiriert zu werden, müssen Sie den Feiertagen so nahe sein,
dass Sie ihren Duft einatmen. Tauchen Sie ein!
Der Standpunkt des Rebbe
Gedanken und Einsichten des Lubawitscher Rebbe
"Vernichte das Verlangen des Menschen nach Sünde" sagen
unsere Weisen, "und du vernichtest die Welt."
Gewiss, niemand muss sündigen. Aber wer nicht zur Sünde neigt,
ist kein Bürger dieser Welt. Und wenn keine Bürger da sind, wer
sorgt dann für bleibende Veränderungen?
Der Meisterschlüssel
Einmal sagte Rabbi Israel Baal Schem Tow zu Rabbi Ze’ew Kitzes,
einem seiner älteren Schüler: "Du wirst für uns an diesem Rosch
Haschana das Schofar blasen. Ich möchte, dass du alle Kawanot
(kabbalistischen Meditationen) studierst, die mit Rosch Haschana
zu tun haben, damit du auch während des Blasens darüber
meditierst."
Rabbi Ze’ew widmete sich freudig, aber auch ängstlich seiner
Aufgabe. Er freute sich über die große Gunst, die ihm zuteil
wurde, aber die enorme Verantwortung machte ihm Sorgen. Er
studierte die kabbalistischen Schriften, in denen von der
vielschichtigen Bedeutung des Schofars und von der Wirkung
seines Tones auf den einzelnen Ebenen der Wirklichkeit und in
den verschiedenen Kammern der Seele die Rede ist. Er schrieb die
wichtigsten Aspekte jeder Kawana auf ein Blatt Papier, damit er
sie beim Blasen vor sich hatte.
Dann kam der große Augenblick. Es war Morgen von Rosch Haschana,
und Rabbi Ze’ew stand vor dem Lesepult mitten in der Synagoge
des Baal Schem Tow und zwischen den Torahrollen, umgeben von
vielen Gestalten im Tallit. Der Baal Schem Tow stand an seinem
Tisch in der südöstlichen Ecke des Raumes, und sein Gesicht
glühte. Ehrfürchtige Stille erfüllte den Raum, und die Menschen
warteten auf den Höhepunkt des Tages – die durchdringenden Töne
und Seufzer des Schofars.
Rabbi Ze’ew griff in seine Tasche und erstarrte: Das Blatt
Papier war weg! Er erinnerte sich genau daran, dass er es
eingesteckt hatte, aber nun war es fort. Verzweifelt kramte er
in seinem Gedächtnis nach dem Gelernten, aber der Schock über
die verlorenen Notizen hatte alles ausgelöscht! Tränen der
Enttäuschung traten ihm in die Augen. Er hatte seinen Meister
enttäuscht, der ihm diese heilige Aufgabe anvertraut hatte.
Jetzt musste er das Schofar wie ein einfaches Horn blasen, ganz
ohne Kawanot. Traurig blies er die Litanei der Töne, die das
Gesetz verlangt, und wich dem Blick des Baal Schem Tow aus. Dann
ging er an seinen Platz zurück.
Als die Gebete des Tages beendet waren. Ging der Baal Schem Tow
zu Rabbi Ze’ew, der unter seinem Tallit seufzte. "Gut Jom Tow,
Reb Te’ew!” rief er. "Das war ja ein außergewöhnliches
Schofar-Blasen heute!"
"Aber,
Rebbe ... warum?"
"Im Palast des Königs", sagte Rabbi Israel, "gibt es
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05-09-02 |