hebraeisch / deutsch: Hebraeische
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Parschat Shoftim
Richtig urteilen
Heute ist es üblich, die Medien zu kritisieren, weil sie sich auf neue,
aufregende Storys stürzen, ohne die Hintergründe nüchtern zu prüfen. Menschen
werden als Verbrecher bezeichnet und für Skandale verantwortlich gemacht.
Schlagzeilen und Fernsehreportagen wollen uns unterhalten, ohne sich große
Gedanken um Tatsachen zu machen. Natürlich gibt es neue Schlagzeilen, wenn ein
Beschuldigter sich als unschuldig erweist. Das erstaunt die Öffentlichkeit und
gibt erneut Stoff für eine gute Story. Aber es gibt auch
Menschen, die uns raten, nicht über andere zu urteilen, auch nicht über
jene in unserer nächsten Umgebung. Aber wie geht das? Wir sehen doch
jeden Menschen, dem wir begegnen, durch die Brille unserer Erfahrung.
Spricht und benimmt sich dieser Mann wie jemand, der Sie einmal
getäuscht hat? Ist diese Frau gekleidet wie ein Snob oder wie eine
störrische Person? Natürlich urteilen wir.
Augen, Ohren, der Verstand und die Erfahrung verleiten uns dazu. Im
Grunde ist das nützlich und kann uns vor Gefahren schützen. Wie sollen
wir mit anderen zurecht kommen, wenn wir keine Ahnung haben, wer sie
sind? Andererseits - wie viele Vermutungen sind erlaubt?
Die Lösung des Problems finden wir in Shoftim ("Richter"), dem neuen
Wochenabschnitt. Am Anfang schreibt er vor, Richter und Beamte "in allen
deinen Toren" einzusetzen, damit sie "gerecht über die Menschen
urteilen". Außerdem geht es in diesem Abschnitt um Könige, Priester und
Propheten. Mit diesen Titeln sind zwei wichtige
Eigenschaften verbunden. Erstens haben sie ihr Wissen und ihre Autorität
natürlich von G-tt, und sie müssen seine Gebote einhalten. Zweitens
haben sie jeweils ihren eigenen Tätigkeitsbereich.
Könige sind für das Wohl des ganzen Volkes verantwortlich, vor allem im
Umgang mit anderen Völkern. Richter und ihre Berater erforschen und
beurteilen weltliche Ereignisse. Priester sind für die Religion
zuständig. Und Propheten belehren uns über moralische Fragen und
bereiten uns auf die Zukunft vor. Das alles
können Sie auch. Sie müssen sich mit den vielen weltlichen Aspekten
Ihres Lebens befassen. Sie müssen Ihr eigenes Verhalten beurteilen und
entscheiden, wie Sie am besten vorgehen. Und Sie müssen sich den feinen
Details der Religion zuwenden und Ihr spirituelles Leben in Ordnung
bringen. Dabei müssen Sie auswählen, einschätzen und beurteilen.
Wann ist Ihr Urteil richtig? Wenn es einem einzigen Zweck dient: G-ttes
Botschafter auf Erden zu sein, seine Mizwot zu erfüllen und eine Wohnung
für ihn vorzubereiten.
Der Standpunkt des Rebbe
Gedanken und Einsichten des Lubawitscher Rebbe
Jede Idee hat viele Anwendungsmöglichkeiten. Wenn du mit einem
Freund streitest, dann blicke über deinen Standpunkt hinaus und prüfe, welche
Idee darin enthalten ist - vielleicht habt ihr beide die gleiche Idee. Wenn ja,
sollte es euch gelingen, eine dritte Anwendung zu finden, mit der ihr beide
zufrieden seid. Leitgedanken
"Du sollst keine Bestechung annehmen ... (denn Bestechung)
verdirbt die Worte der Rechtschaffenen" (16:19). Frage:
Wenn er sich bestechen lässt, warum wird er dann zadik (ein
"Rechtschaffener") genannt? Antwort: Einmal fand
vor Rabbi Awraham Jahoschua Heschel von Apta eine Din-Torah statt. Im
Laufe der Verhandlung hatte einer der Beteiligten das Gefühl, er werde
verlieren. Also bat er um Erlaubnis, den Raum für kurze Zeit zu
verlassen. Im Flur sah er den Mantel des Rabbis hängen und steckte Geld
in eine Tasche. Die Din-Torah wurde fortgesetzt,
und der Rabbi, der sich allmählich eine Meinung gebildet hatte, dachte
plötzlich ganz anders. Er wunderte sich selbst darüber und verkündete
daher, er brauche mehr Zeit, um nachzudenken. Die Sitzung wurde
unterbrochen. In der Pause betete er zu Haschem,
damit dieser ihn mit Weisheit segne und die Wahrheit offenbare. Einige
Tage später zog er seinen Mantel an, steckte die Hand in die Tasche und
spürte ein Geldbündel. Der Rabbi rief: "Jetzt verstehe ich, was
geschehen ist. Eine Bestechung ist etwas derart Schlimmes, dass sie
meine Gedanken beeinflusste, obwohl ich nichts davon wusste!"
Die Torah lehrt also, dass eine Bestechung das Denken eines Richters
selbst dann verderben kann, wenn er ein Zadik ist und ohne sein Wissen
"bestochen" wird. Freude im Kampf
Als Rabbi Menachem Mendel von Lubawitsch (auch als "Zemach Zedek"
bekannt) in Petersburg war, um am rabbinischen Kongress des Jahres 1843
teilzunehmen, erteilte ihm der Kriegsminister eine Sondererlaubnis, zu
den jüdischen Soldaten zu sprechen, die im nahe gelegenen Kronstadt
dienten.* Als der Rebbe ankam, grüßten ihn die
wartenden Soldaten und sagten zu ihm: "Rebbe, wir haben uns den ganzen
Morgen Mühe gegeben und uns auf Euren Besuch vorbereitet. Sogar unsere
Knöpfe haben wir poliert. Jetzt ist es an Euch, unsere Seelen zu
polieren, die trübe und rau geworden sind, weil wir seit vielen Jahren
ohne Jiddischkeit leben." Der Rebbe lobte die
heldenhaften Bemühungen der Soldaten, ihren Glauben zu bewahren. Dann
fügte er hinzu: "Ihr habt eure Knöpfe mit Sand und Wasser poliert. Auch
die Seele poliert man mit Sand und Wasser: mit den heiligen Buchstaben
der Tehilim , gesprochen unter vielen Tränen."
Ein Soldat wandte ein: "Aber Rebbe, Schlachten werden nicht mit Tränen
gewonnen, sondern mit Freude." "So spricht ein
Soldat!" sagte der Rebbe, offensichtlich zufrieden. "Ja, du hast recht.
Ein Soldat zieht zu den Klängen eines fröhlichen Marsches in den Kampf,
nicht mit Tränen. Und die Macht dieser Freude schenkt ihm den Sieg sogar
unter den gefährlichsten und schwierigsten Umständen."
haGalil onLine
09-08-2002 |