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In Sachen Anton Malloth:
Lebenslänglich lebenslang

Von Nikola Friedrich

Es sei üblich, die eigene Zeit als auf dem Höhepunkt der Zivilisation stehend anzusehen und von diesem aus die Mängel der vergangenen Zeitalter in gönnerhafter Art und Weise im Licht des sogenannten Fortschritts zu betrachten, formulierte Justice Jackson in seinem Plädoyer vor dem Nürnberger Militärtribunal und fuhr fort: "Die Wirklichkeit ist, daß das gegenwärtige Jahrhundert in der großen Perspektive der Geschichte keine bewundernswerte Stellung einnehmen wird, es sei denn, daß sein zweiter Teil für den ersten Wiedergutmachung leistet."

Im Prozeß gegen Anton Malloth vor dem Münchner Landgericht ging es ebenfalls um die Zeit des Naziterrors, um den "furchtbarsten Teilbereich deutscher Geschichte, in dem Menschen wegen ihrer Rasse und ihrer Religion planmäßig vernichtet wurden" wie Staatsanwalt Kuchenbauer in seinem Schlußplädoyer sagte.

Der ‚zweite Teil’ der Geschichte des 20. Jahrhunderts hatte gleichfalls seine Relevanz. Er erklärt, warum dieser Prozeß erst jetzt, nach über 50 Jahren, erfolgte. Diese Verzögerung liegt begründet in der Tatsache, daß die nachfolgenden Unrechtsregime kein Interesse an den Aussagen der Opfer zeigten und daß auch in Deutschland, wo ein Interesse an den Schilderungen von Überlebenden oder Hinterbliebenen vielleicht vorhanden war, die Glaubwürdigkeit der Zeugen häufig mit Hilfe der Aussagen damaliger Täter geprüft wurde. Dieser Fortgang der Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg liefert die Erklärung, warum ein Täter wie Anton Malloth so lange der Strafjustiz entgehen konnte.

Trotz dieser Verspätung wird ‚Wiedergutmachung’ dort, wo sie heute noch geschehen kann, weiterhin geschuldet: Dieser Prozeß kommt zwar spät, "er kommt sogar sehr spät" wie es im Plädoyer der Staatsanwaltschaft hieß, "aber er kommt nicht zu spät, vielmehr ist er zwingend geboten."

Geschuldet wird dieses Verfahren den Opfern und ihren Hinterbliebenen. Es wird vor allen auch den Zeugen des Prozesses geschuldet, die die Verbrechen erlebt haben und das Erlebte nicht mehr vergessen können. Sie waren in der Kleinen Festung der Willkür der Aufseher ausgeliefert, die eine unerschöpfliche Phantasie an den Tag legten, um sich Verhaltensweisen auszudenken, ihre Opfer zu foltern, zu malträtieren und zu quälen. "Wie soll man verstehen, daß sogar Wetten gemacht wurden darüber, ob ein Schlag auf den Kopf mit einem Spaten diesen spalten kann" hatte Staatsanwalt Kuchenbauer am vorletzten Verhandlungstag gefragt?

Man kann es nicht verstehen, man kann aber verstehen, was es den Opfern bedeutet, daß Malloth, "der jede sich bietende Gelegenheit dazu benutzt hatte, seine Gesinnung auszuleben", der Prozeß wenigstens im 21. Jahrhundert gemacht wird.

Auch aufgrund der strafrechtlichen Schuld, die Malloth auf sich gezogen hat, ist dieser Prozeß notwendig. Seine Schuld, die er als selbst ernannter Herr über Leben und Tod auf sich geladen hatte, verlangt einen Ausgleich.

Der Verteidiger hatte noch in seinem Plädoyer, "welches dazu dienen soll, den Angeklagten wieder in das richtige Verhältnis zu rücken" mit juristischen Feinheiten versucht, die strafrechtliche Schuld seines Mandanten zu inzwischen verjährten Vorfällen umzudeuten: An die Stelle des Mordes aus Rassenhaß rückte die körperliche Züchtigung eines Häftlings wegen Fehlverhaltens und aus einem versuchten Mord wurde eine gefährliche Körperverletzung mit freiwilligem Rücktritt.

Deswegen und wegen anderer Ungenauigkeiten oder Unkenntnissen über den Verbleib der Opfer hatte der Verteidiger, wie er betonte, aus juristischen Gründen einen Freispruch in allen Punkten der Anklage gefordert. Die moralischen Gründe stünden dabei auf einem anderen Blatt.

Malloths Schuld, so hieß es hingegen im heutigen Urteil, ist keine, die sich mit herkömmlichen Mitteln beurteilen ließe. Vielmehr handelt es sich um eine, die schwerer wiegt, denn der Angeklagte habe Menschen gequält, gedemütigt und getötet, die er als Untermenschen und als Parasiten betrachtete. Er war kein Täter aus Gleichgültigkeit oder aus Opportunität, sondern habe den Rassismus verinnerlicht und aus einem ideologisch durchdrungenen Haß gehandelt. An der Wahrhaftigkeit der Beschuldigungen der Zeugen zweifelte das Gericht nicht.

Somit kann der Urteilsspruch auch ein Zeichen all denjenigen setzen, die der nationalsozialistischen Ideologie auch noch heute anhängen.

Eine Verurteilung sollte nach den geltenden Straftheorien zwar immer auch der Resozialisierung des Täters dienen. Dies ist bei einem Angeklagten, der im Ermittlungsverfahren zwar zugab, Aufseher in der Kleinen Festung gewesen zu sein, die Anklagepunkte jedoch allesamt bis heute bestritt, ohne sich jemals damit auseinander gesetzt zu haben, kaum anzunehmen.

Es bleibt damit, wie der Vorsitzende Richter Jürgen Hanreich eindringlich bei der Urteilsverkündung sagte, "vor allem die Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, das geschehene Leid namhaft zu machen."

Denn es komme vor allem darauf an, daß die Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten, wie der Zeuge L. bedeutet hatte. Geschehnisse, die er ein Leben lang nicht vergessen wird.

Anton Malloth wird für den Rest seines Lebens nun eine lebenslängliche Strafe verbüßen.

Die Autorin studiert Philosophie und Jura und promoviert derzeit über Menschenrechte und Menschenrechtsverletzungen

haGalil onLine 31-05-2001

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