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Der "historische Moment":
Staatsvertrag mit dem Zentralrat

Bundeskanzler Gerhard Schröder und der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, haben heute, am Holocaust-Gedenktag, in Berlin erstmals einen Staatsvertrag unterzeichnet, der die Unterstützung der jüdischen Gemeinden in Deutschland regelt. Mit dem Vertrag soll der Zentralrat für seine sozialen und religiösen Aufgaben drei Millionen Euro im Jahr erhalten. Im Mittelpunkt steht dabei die Integration jüdischer Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Spiegel sprach von einem "historischen Moment", der den politischen Willen von Regierung und Parlament, dass Juden in Deutschland leben, dokumentiere.

Im Vorfeld war vielfach davon die Rede, dass sich die jüdischen Gemeinden heute in einer Umbruchsphase befinden. Gemeint ist damit hauptsächlich der Einfluss der jüdischen Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion, die das Bild der Gemeinden umgekrempelt hat. Zur Regelung der unklaren Situation für die 12 liberalen Gemeinden in Deutschland trägt der Staatsvertrag jedoch nichts bei. Im Gegenteil, der Zentralrat wird als Vertretung aller deutschen Juden angesehen, egal, ob dieser eine Öffnung der Einheitsgemeinden für das liberale Judentum ermöglicht oder nicht.

Die "Weltunion des Progressiven Judentums" behält sich daher den Rechtsweg vor, um notfalls darüber einen Anteil am Staatsvertrag zu erhalten. Es wäre auch anders möglich, wie beispielsweise in Niedersachsen. In Hannover wurde der Staatsvertrag zwischen dem Land und den Jüdischen Gemeinden um den Zusatz ergänzt, dass der liberale "Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden" zehn Prozent der Fördersumme erhalte.

Ohne Zweifel ist die Unterzeichnung des Vertrages ein wichtiges Signal, eine gesetzliche Bestätigung der Verankerung jüdischen Lebens in der Mitte der deutschen Gesellschaft. Der Vertrag wird geschlossen, "geleitet von dem Wunsch, den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Deutschland zu fördern und das freundschaftliche Verhältnis zu der jüdischen Glaubensgemeinschaft zu verfestigen und zu vertiefen" wie es in der Präambel heißt. Leider wird er nicht mit historischem Verständnis für die Geschichte des deutschen Judentums, das einst die Geburtsstätte der Reformbewegung war, geschlossen.

Der Vertragstext:

"Vertrag
zwischen der Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch den Bundeskanzler,
und
dem Zentralrat der Juden in Deutschland
- Körperschaft des öffentlichen Rechts -,
vertreten durch
den Präsidenten
und die Vizepräsidenten

Präambel

Im Bewusstsein der besonderen geschichtlichen Verantwortung des deutschen Volkes für das jüdische Leben in Deutschland, angesichts des unermesslichen Leides, das die jüdische Bevölkerung in den Jahren 1933 bis 1945 erdulden musste, geleitet von dem Wunsch, den Wiederaufbau jüdischen Lebens in Deutschland zu fördern und das freundschaftliche Verhältnis zu der jüdischen Glaubensgemeinschaft zu verfestigen und zu vertiefen, schließt die Bundesrepublik Deutschland mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland folgenden Vertrag:

Artikel 1

Zusammenwirken

Die Bundesregierung und der Zentralrat der Juden in Deutschland, Körperschaft des öffentlichen Rechts, der nach seinem Selbstverständnis für alle Richtungen innerhalb des Judentums offen ist, vereinbaren eine kontinuierliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit in den Bereichen, die die gemeinsamen Interessen berühren und in der Zuständigkeit der Bundesregierung liegen. Die Bundesregierung wird zur Erhaltung und Pflege des deutsch-jüdischen Kulturerbes, zum Aufbau einer jüdischen Gemeinschaft und den integrationspolitischen und sozialen Aufgaben des Zentralrats in Deutschland beitragen. Dazu wird sie den Zentralrat der Juden in Deutschland bei der Erfüllung seiner überregionalen Aufgaben sowie den Kosten seiner Verwaltung finanziell unterstützen.

Artikel 2

Staatsleistung

(1) Zu den in Artikel 1 genannten Zwecken zahlt die Bundesrepublik Deutschland an den Zentralrat der Juden in Deutschland jährlich einen Betrag von 3.000.000 ?, beginnend - unabhängig vom Inkrafttreten des Vertrages - mit dem Haushaltsjahr 2003.

(2) Die Vertragsschließenden werden sich nach Ablauf von jeweils fünf Jahren - beginnend im Jahr 2008 - hinsichtlich einer Anpassung der Leistung nach Absatz 1 verständigen. Sie sind sich darüber einig, dass die Entwicklung der Zahl der vom Zentralrat repräsentierten Gemeindemitglieder ein wichtiges Kriterium bei der Berechnung der Leistungsanpassung darstellt.

Artikel 3

Zahlungsmodalitäten

Die Leistung wird 2003 in einer Summe, ab 2004 mit je einem Viertel des Jahresbetrages jeweils zum 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November gezahlt.

Artikel 4

Prüfung der Verwendung der Mittel

Der Zentralrat der Juden in Deutschland weist die Verwendung der Zahlung jährlich durch eine von einem unabhängigen vereidigten Wirtschaftsprüfer geprüfte Rechnung nach. Die Rechnung und der Bericht des Wirtschaftsprüfers sind der Bundesregierung vorzulegen.

Artikel 5

Weitere Einrichtungen des Zentralrats

(1) Der Bund wird darüber hinaus auch zukünftig die bisher geförderten Einrichtungen des Zentralrats der Juden in Deutschland - Hochschule für jüdische Studien und Zentralarchiv zur Erforschung der deutsch-jüdischen Geschichte, beide mit Sitz in Heidelberg - auf freiwilliger Basis unterstützen.

(2) Die Förderung der Hochschule für Jüdische Studien erfolgt derzeit mit einem Bundesanteil von 30 Prozent im Einvernehmen mit den Ländern.

(3) Das Zentralarchiv wird vom Bund institutionell gefördert auf der Grundlage der vorgelegten Wirtschaftspläne.

(4) In beiden Fällen handelt es sich um vom Bund jährlich festzulegende Zuwendungen im Sinne des Bundeshaushaltsrechts nach den Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers.

Artikel 6

Ausschluss weiterer Leistungen

(1) Der Zentralrat der Juden in Deutschland wird über die in Artikel 2 und 5 gewährten Leistungen hinaus keine weiteren finanziellen Forderungen an die Bundesrepublik Deutschland herantragen.

(2) Auf besonderer Grundlage mögliche oder bestehende Leistungen an die jüdische Gemeinschaft auf Bundesebene bleiben durch diesen Vertrag unberührt, insbesondere staatliche Leistungen für die Integration jüdischer Zuwanderer aus den GUS-Staaten und für die Pflege verwaister jüdischer Friedhöfe auf der Grundlage der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern vom 21. Juni 1957.

Artikel 7

Vertragsanpassung

Die Vertragsschließenden sind sich bewusst, dass die Festlegung der finanziellen Leistungen dieses Vertrages auf der Grundlage der derzeitigen Verhältnisse erfolgt. Bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse werden sich die Vertragsschließenden um eine angemessene Anpassung bemühen.

Artikel 8

Freundschaftsklausel

Die Vertragsschließenden werden etwa in Zukunft auftretende Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung dieses Vertrages in freundschaftlicher Weise beseitigen.

Artikel 9

Zustimmung des Deutschen Bundestages,
Inkrafttreten

(1) Der Vertrag bedarf der Zustimmung des Deutschen Bundestages durch ein Bundesgesetz.

(2) Er tritt am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes, mit dem diesem Vertrag zugestimmt wird, in Kraft."

aue / hagalil.com 27-01-03

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