Von Martin Hladik
Fotos: Gabi Schönberger
Mittelbayerische Zeitung,
10. März 2003
WEIDEN (ik). "Das hat für das Judentum in Deutschland
historische Bedeutung." Dieser Satz fiel bei der Amtseinführung der
neuen Rabbinerin Gesa S. Ederberg gleich mehrfach. Aus zwei Gründen:
Ederberg ist erst die zweite Frau, die in Deutschland einer
Jüdischen Gemeinde als Rabbiner vorsteht. Zum Anderen vertritt
Ederberg die ursprünglich in Deutschland entstandene
Masorti-Bewegung eine liberale Form des Judentums , die durch die
Shoa seit 58 Jahren in Deutschland unterbrochen war und jetzt wieder
aufkeimt.
Das macht auch ein Grußschreiben von
Paul Spiegel, Präsident des Zentralrates der Juden, deutlich: "Diese
Pluralität in Religionsausübung und Kultur ist begrüßenswert. Zeigt
sie doch ein großes Stück Normalität in jüdischem Leben in
Deutschland. Diese Vielfalt jüdischen Lebens knüpft an alte
Traditionen in Deutschland an, wo die Wiege des liberalen Judentums
stand."
Fast eineinhalb Stunden dauerte der in zeitweise in vier Sprachen
geführte Gottesdienst zur Amtseinführung Ederbergs. Gebetet wurde in
hebräisch, russisch, englisch und deutsch. Beim Gottesdienst
anwesend waren auch die Spitzen der katholischen und evangelischen
Kirchengemeinden und Vertreter der muslimischen Gemeinde. Höhepunkt
war der Akt der Amtsübertragung vor geöffnetem Thoraschrein. Ihn
nahm Rabbiner Joe Wernik in Englisch vor. Er ist Geschäftsführer des
Weltverbandes der Masortibewegung. "Gesa ist ein wunderbarer Hirte",
sagte Wernik in Anlehnung an ein Moses-Gleichnis. Mit ihr werde die
jüdische Gemeinde viel erreichen. Für ihn sei es ein schöner Moment
eine Rabbinerin der Masorti-Bewegung in Deutschland einzuführen. Die
sei eine "Renaissance of Jews in Germany" eine Wiedergeburt des
Judentums in Deutschland. Dies sei auch Gabi Brenners Werk, sagte
Wernik.
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Als
äußeres Zeichen der seelsorgerischen Leitung der Gemeinde erhielt
Ederberg aus den Händen von Brenner den Lesestab für die Thora.
Brenner sagte: "Ich übergebe dir die religiöse Leitung der Gemeinde.
Ich bin froh das du es wagst. Mit Gottes Hilfe wirst du Erfolg
haben." Bei der Einführung zum Gottesdienst hatte Brenner zusammen
mit ihrer Stellvertreterin Irina Plischuk die "Einmaligkeit" der
Amtseinführung von Ederberg herausgehoben. Es sei in Deutschland
sehr schwer einen Rabbiner zu finden. Weiden sei erst im 19.
Jahrhundert zu einer Jüdischen Gemeinde geworden. Nach den
Nationalsozialisten habe es keine Gemeinde mehr gegeben. Sie sei
durch Überlebende der KZs wiedergegründet worden. Sie sei froh, dass
ihr Schwiegervater, Hermann Brenner, der vor ihr Vorsitzender der
Gemeinde war, dies miterleben könne. 1932 hätten 181 Juden in Weiden
gelebt. Durch die Zuwanderer aus Russland sei die Gemeinde jetzt auf
fast das Doppelte gewachsen.
Die Leistung von Gabi Brenner betonte auch Heiner Olmer vom
Präsidium des Jüdischen Landesverbandes. Das "Wunder der
Zuwanderung" aus Russland habe auch in seiner Heimatgemeinde Bamberg
bedeutet, eine völlig neue Infrastruktur aufzubauen. Dazu gehöre Mut
und Durchhaltevermögen. Mit einer Rabbinerin könne jetzt die
Religion im Mittelpunkt der Gemeinde stehen und ihr neue
Lebendigkeit geben. "In Deutschland ist es nicht selbstverständlich
eine Rabbinerin zu haben. In Bayern überhaupt nicht", sagte Olmer.
Dies finde im Landesverband zwar keine Mehrheit, aber der
Landesverband stehe zur Pluralität des Judentums und zur Autonomie
der Gemeinden.
"Zusammenarbeit, Geschwisterlichkeit und gutes Miteinander" bot
der evangelische Dekan Wolfgang Scheidel der Rabbinerin an. Der
katholische Regionaldekan Gerhard Pausch erinnerte an das Konzil von
1964, das deutlich gemacht habe, dass der "neue Bund" (das Christum)
nicht ohne den alten Bund (das Judentum) denkbar sei. Pausch freute
sich auf ein gutes Miteinander. Weitere Grußworte hielten die
Vorsitzende der Masorti-Bewegung, Mirjam Marcus und der Vater der
Rabbinerin.
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Jüdische Gemeinde Weiden