Kein Nachspiel:
Österreichs Grüne unter Antisemitismusverdacht
Von Karl Pfeifer
Kann man in einem Land, in dem laut einer repräsentativen
Umfrage 24 Prozent der Befragten der Meinung sind, es wäre besser keine Juden im
Land zu haben und in dem 25 Prozent meinen, die Juden wären am Antisemitismus
"nicht ganz unschuldig" einseitige "antizionistische" Veranstaltungen
durchführen und Boykott von israelischen Produkten fordern ohne dass man von der
falschen Seite Zuspruch erhält? Man möchte meinen dass dieses Problem auch
Ulrike Lunacek, der außenpolitischen Sprecherin der Grünen in Österreich, hätte
klar sein sollen. Doch wie schon berichtet lud sie
zwei prononcierte "Antizionisten" im August zu einer Diskussion über
"Krieg im Heiligen Land" nach Wien. Gekommen war nur Felicia Langer,
die einen langen Vortrag halten durfte und u.a. Jürgen Möllemann
bestätigte nicht antisemitisch gehandelt zu haben, als er Ariel
Scharon und Michel Friedman für Antisemitismus in Deutschland
verantwortlich machte. Das war dann zuviel für einige Zuhörer und
die Veranstaltung mußte unterbrochen werden. Man hatte den Grünen
vorgeschlagen einen anderen Diskutanten einzuladen, doch Ulrike
Lunacek war es wichtig, ihre Vorurteile gegen Israel bestätigt zu
bekommen.
Dieser Skandal wurde in einigen österreichischen websites abgehandelt, das war
aber kein Anlaß für die Grünen Stellung zu beziehen. Erst nachdem das
Wochenmagazin "Format" Anfang Oktober darüber berichtete, stürzte sich
ausgerechnet die Regierungspartei ÖVP, die mit Jörg Haider vor zweieinhalb
Jahren eine Koalition einging, darauf, um den Grünen "Antisemitismus"
vorzuwerfen. Erst danach kam es zu einer Reaktion der Grünen. Das ist natürlich
kein Zufall. Antisemitismus merkt man in Österreich grundsätzlich nur bei den
anderen Parteien. Laut allen Meinungsumfragen ist der Prozentsatz der
Antisemiten unter den Grünen am niedrigsten. Aber das heißt nicht, dass es unter
ihnen keine Antisemiten gibt, oder dass grüne Politiker immer sensibel handeln.
Doch Ulrike Lunacek hat ihr unsensibles Handeln nicht geschadet, bei der letzten
Parteikonferenz der Grünen wurde sie an dritter Stelle für die Bundeswahlliste
gewählt. Am 14.10. wehrt sie sich sogar in einem Leserbrief im "Standard" gegen
den Vorwurf der Einseitigkeit, sie hätte doch "u.a mit Israels Außenminister
Peres und Palästinenserpräsident Arafat" Gespräche geführt. Und bemerkt dazu
"Das ist wirklich einseitig". Das erinnert an die bekannte Argumentation, einige
meiner besten Freunde sind Juden.
Im Dezember 2001 richteten einige linksextremistische Gruppen
einen Brief an das offizielle Organ der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG)
Wien, der auch von der grünen Landtagsabgeordneten Susanne Jerusalem
unterzeichnet war. In diesem Brief wird der IKG vorgeworfen, sie hätte "jedwede
Kritik" an Israel als "antisemitisch gebrandmarkt", nur weil diese Zeitschrift
einen Bericht über eine Palästinademo publizierte und einiges sachlich
kritisierte. "Es ist zu befürchten" schrieben die Unterzeichner, "dass die
Vorgangsweise Ihrer Publikation, anstatt Antisemitismus zu verhindern, im
Gegenteil dazu beiträgt, die Herausbildung eines unbefangenen und vorurteillosen
Umgangs der österreichischen Bevölkerung mit dem Judentum und den jüdischen
Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu erschweren..." Das kann nur mit dem Wort
"Chuzpe" charakterisiert werden. Lange bevor es einen Staat Israel gab, hat es
schon einen tief verwurzelten Antisemitismus in Österreich gegeben, der auch
nach dem Holocaust nicht aus Politik und Medien verschwunden ist. Aber eine
grüne Landtagsabgeordnete unterzeichnet einen Brief, in dem Juden die
Verantwortung für den Antisemitismus unterschoben wird und man hört von den
Grünen keinen Hauch einer Kritik.
Ein Grüner hat aber gehen müssen. Wilfried Bader, Leiter der
Grünen Bildungswerkstatt (Grübi) in Tirol. Die Bundesvorsitzende der Grübi,
Daniela Graf, erklärte, Bader habe ein "vereinsschädigendes Verhalten" an den
Tag gelegt und eine Statutenverletzung begangen. "In unserem Statut steht, dass
wir die Grünen Grundwerte zu beachten haben. Zum Beispiel den Grundwert der
Gewaltfreiheit. Es entspricht nicht den grünen Grundsätzen, in den Irak zu
fahren und Tarek Aziz, der einem mörderischen Regime angehört, die Hand zu
schütteln. Und ich brauche auch den Satz nicht, dass er nicht dafür ist, die
Israelis ins Meer zu schmeißen, und wir sind auch davon überzeugt, dass es
keinerlei Legitimierung der palästinensischen Selbstmordattentate gibt, bei
allem Verständnis für die schwierige Lage und die Kritik an der Regierung
Sharon", so Graf.
hagalil.com
15-10-02 |