FPÖ-nahe Organisationen:
Historische "Ungenauigkeiten"
Was subventioniert die Republik Österreich,
wenn sie der Wochenzeitung "Zur Zeit" eine hohe Presseförderung in den Rachen
wirft? "Revisionistische" Argumente gegen das NS-Verbotsgesetz zum Beispiel
Von Karl Pfeifer
Die NS-Verbotsgesetze wurden schon seit Jahren nicht gegen
prominente Personen angewendet. Im Gegenteil, diese Gesetze werden als Argument
gegen diejenigen benützt, die es wagen rechtsextreme Umtriebe in Österreich zu
kritisieren. Denn, so argumentieren Schwarze und Blaue unisono, nirgendwo sonst
gibt es derart scharfe Gesetze wie in Österreich, daher gilt, wer nicht von
einem Gericht wegen dieser Gesetze verurteilt wurde als unantastbar.
Die Wiener Wochenzeitung "Zur Zeit" veröffentlichte am 23.8.02 einen
nicht gezeichneten Artikel einer obskuren und anonymen
"Österreichischen Historiker Arbeitsgemeinschaft", mit dem Stimmung
gegen den "Gesinnungsterror" des NS-Verbotsgesetzes, das
Naziaktivitäten und Holocaustleugnung unter Strafe stellt gemacht
wird: "Allenthalben spürbar ist ja schon der Gesinnungsterror der
selbsternannten intellektuellen "Gutmenschen", die mit diesen
Methoden Verfassungen und Menschenwürde unterlaufen würden." Sie
sehen den "Grundsatz der Freiheit der Wissenschaft" und die
"Meinungsfreiheit" eingeschränkt, weil diese "in manchen seit damals
[Novellierung der NS-Verbotsgesetze 1992 K.P.] geführten Prozessen
nach dem Verbotsgesetz durch richterlichen Irrtum in Mißachtung
geraten ist". Bekanntlich wurde ein Autor
von "Zur Zeit", der das Buch des "Revisionisten" Rudolf Czernin
lobte, wegen Holocaustleugnung rechtskräftig verurteilt. Der Artikel
in "Zur Zeit" empfiehlt dieses Buch demjenigen, der "in Fragen
NS-Verbrechen und Kriegsschuld und überhaupt zur Geschichte des 20.
Jahrhunderts mitreden will". Außerdem wird auch der amerikanische
Holocaustleugner und Amateurhistoriker David L. Hoggan gelobt.
Hoggan publizierte Anfang der sechziger Jahre sein Pamphlet "Der
erzwungene Krieg", in dem er die Attidüde der Gelehrsamkeit zeigte.
Er imponierte dem schlichten Leser mit einer Fülle von
Quellenzitaten und Querverweisen, Fußnoten und Literaturangaben.
Damit sollte der Anschein von Seriosität erweckt werden, und das
Geschichtsbild, das Hitler als überlegenen, friedfertigen Staatsmann
und seine Gegner als kriegslüsterne Monster zeichnete, sollte als
wissenschaftlich erwiesen und unumstößlich zementiert werden. Bei
professioneller Betrachtung erwiesen sich die Quellenzitate als
falsch oder verfälscht, die Literaturangaben als weithin unkorrekt
und die Argumentation als hirnrissig. Als
"revisionistische" Propagandawaffe war das Buch aber sehr tauglich,
denn es genügte ja, den Titel als Programm zu nehmen und auf die
vermeintlich schlüssige Dokumentation zu verweisen. Die Technik des
Verwirrens durch Zitate und unsinnige Quellenangaben machte Schule
und ist in rechtsextremen Kreisen bis heute wirkungsvoll; zu den
eifrigsten Epigonen gehört der deutsche Holocaustleugner Udo
Walendy, dem Virtuosität im manipulativen Umgehen mit Quellen
bestätigt wird und dessen Buch "Wahrheit für Deutschland, die
Schuldfrage des Zweiten Weltkrieges" auch von "Zur Zeit" in höchsten
Tönen gepriesen wird. "Zur Zeit" wiederholt
auch die übliche Nazilitanei gegen Theodor N. Kaufmann, Henry
Morgenthau und Ilja Ehrenburg.* Schon die Nazi behaupteten von
Kaufman, diese vollkommen unbekannte und unbedeutende Privatperson
wäre "Präsident der amerikanischen Friedensgesellschaft" gewesen.
Der Nazipropagandist Wolfgang Diewerge veröffentlichte unter dem
Titel "Das Kriegsziel der Weltplutokratie / Deutschland muß sterben"
1941 im Zentralverlag der NSDAP eine Broschüre, in der er aus
Kaufman einen "Sprecher der Weltplutokratie" machte und postulierte:
"Das Weltjudentum bejaht den Mord als politisches Kampfmittel."
Diewerge griff auch die "beiden Hauptskriegshetzer Roosevelt und
Churchill" an. Insgesamt nichts Neues unter der Sonne: Einer
schreibt vom anderen ab. Wenn also in "Zur
Zeit" holocaustleugnende Autoren gelobt werden, wenn Bücher
angepriesen werden, die den Alliierten die Schuld für den Ausbruch
des Zweiten Weltkrieges unterstellen, dann könnte die
Staatsanwaltschaft deswegen ein Verfahren wegen § 3 g des
Verbotsgesetzes einleiten. Denn Dr. Herwig Haidinger, der damalige
Sicherheitschef von Oberösterreich [Leiter des Bundeskriminalamtes]
schrieb in seiner 1996 vervielfältigten Broschüre über das
NS-Verbotsgesetz: "Eine den Nationalsozialismus massiv
rechtfertigende Tendenz liegt in Textstellen, in denen die
Vorbereitung eines Angriffkrieges Hitlers als lächerlich bezeichnet
und als Lüge dargestellt und behauptet wird, das
nationalsozialistische Regime sei nur vom Weltjudentum und den
Alliierten zu unvermeidbaren kriegerischen Reaktionen getrieben
worden und sei so von jeglicher Kriegsschuld freizusprechen."
Doch die Staatsanwaltschaft ist weisungsgebunden und ihr oberster
Chef, Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer, meinte (siehe Hans
Henning Scharsach, Kurt Kuch "Haider, Schatten über Europa"), als er
noch Anwalt von Jörg Haider war, Äußerungen zum Nationalsozialismus
müssten auch dann zulässig sein, wenn sie "nicht ausschließlich im
Sinne einer pauschalen Ablehnung argumentieren". Selbst "historische
Unrichtigkeiten" müsse man behaupten dürfen, "ohne dass man gleich
'der Geschichtsfälschung [...] der diktatorischen Gesinnung [...]
oder gar der Staatsgefährlichkeit bezichtigt" werde. Auf der anderen
Seite darf nach Böhmdorfers Ansicht "Meinungsfreiheit nicht in
Gesinnungsterror umschlagen". Nach den
Vorstellungen des Justizministers wird also kein Staatsanwalt gegen
"Zur Zeit" vorgehen, auch wenn diese "nicht ausschließlich im Sinn
einer pauschalen Ablehnung des Nationalsozialismus" argumentiert und
dabei "historische Ungenauigkeiten behauptet."
"Die Bundesregierung bekennt sich" - auf dem geduldigen Papier "zur
kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit". Daneben
beträgt die Presseförderung für "Zur Zeit" - die alles was in ihrer
Macht steht gegen eine solche kritische Auseinandersetzung mit der
NS-Vergangenheit unternimmt - im Jahr 2002 EURO 75.550.20.
* siehe auch Legenden, Lügen, Vorurteile, Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte,
Hgb. Von Wolfgang Benz, dtv, Juni 1992, ISBN 3-423-03295-2 )
hagalil.com
13-09-02 |