Recht, Rechte, Richter
Wenn Rechtsextreme jüdische Journalisten beschimpfen, entdeckt
Österreichs Justiz die Meinungsfreiheit
Von Florian Klenk, Falter, 7.2.02
Vergangenen Donnerstag hat der jüdische Journalist Karl Pfeifer gegen Andreas
Mölzer, den Chef der rechten Postille Zur Zeit einen Prozess verloren. Die
Öffentlichkeit war an dem Fall nicht interessiert. Im Gerichtssaal saßen, wenn
überhaupt, nur ausländische Gerichtsreporter. Die Kultusgemeinde schwieg. Nur in
Israel erschien eine seitenlange Reportage in der Zeitung "Ha´aretz".
Seltsam. Denn die Auseinandersetzung zwischen dem Holocaust-Überlebenden und dem
Ex-Haider Berater illustriert die halbseidenen Methoden von Andreas Mölzers
Postille "Zur Zeit", einem mit staatlichen Geldern geförderten Blatt, von dem
ein Mitarbeiter vergangenes Jahr bereits einmal wegen NS-Wiederbetätigung
verurteilt wurde. Der Fall gibt zudem tiefe Einblicke in das Weltbild der Wiener
Justiz. Im Fall Pfeifer geht es darüber hinaus auch um die Frage, was ein
jüdischer Journalist auf sich nehmen muss, wenn er auf Personen hinweist, die
das NS-Verbotsgesetz verletzen. Denn Karl Pfeifer bekommt von der Justiz nur
einen Bruchteil jenes Ehrenschutzes zugesprochen, den sie FPÖ Politikern im
Kampf gegen "linke Medien" zubilligt.
Die Causa ist schnell erklärt (siehe auch Bericht auf Seite 14): Karl Pfeifer
kritisierte vor sieben Jahren in der jüdischen Zeitschrift "Gemeinde" den
rechtsextremen Politologen Werner Pfeifenberger. Pfeifer wies auf die
"Nazi-Töne" in dem Aufsatz des Professors hin. Mehr unternahm Pfeifer nicht. Er
zeigte den Professor weder an, noch übte er sonst irgendeinen Druck auf ihn aus.
Pfeifers Kritik veranlasste die Staatsanwaltschaft zu einer Anklage nach dem
NS-Verbotsgesetz. Daraufhin wackelte der Uni-Job des Politologen. In Deutschland
widmete der Spiegel der Causa einen längeren Bericht. Vor dem Prozess brachte
sich der Politologe um.
Mölzer startete eine untergriffige Medienkampagne. Unter Pseudonymen und in
Bittbriefen an seine Abonnenten denunzierte er Pfeifer als Mitglied einer
"Jagdgesellschaft", die den Politologen "in den Selbstmord hetzte". Er
unterstellte Pfeifer "tödlichen Tugendterror" und "Menschenhatz, die in der
Folge bis zum Tod des Gehetzten geführt habe".
Pfeifer klagte. Am Anfang schien die Sache klar. Denn Österreichs Justiz ist in
Sachen Meinungsfreiheit sehr streng. Oft zu streng. Vor allem FPÖ- und
Haider-Kritiker bekamen das teuer zu spüren. Die Judikatur des Wiener
Oberlandesgericht lautete: Wer eine Meinung hat, muss diese mit einem
"ausreichenden Tatsachensubstrat" unterfüttern können. Wer dies nicht schafft,
begeht einen strafbaren "Wertungsexzess". Vor allem die Senatspräsidenten Ernest
Maurer (jener Richter, der einst auf einem FPÖ-Ticket im ORF-Kuratorium saß) und
Doris Trieb hatten diese Judikatur auf die Spitze getrieben: Studenten wurden
auf Wunsch der blauen Regierungsmitglieder verurteilt, weil sie in einem
Leserbrief das Wort "Scheiß-Regierung" gebrauchten, ohne zu begründen, worin die
"Scheiße" bestand. Einem Journalisten wurde "geradezu hinterhältige, die
Tatsachen verschweigende" Arbeitsweise unterstellt, weil er Haiders
"Verharmlosung der Konzentrationslager als Straflager" kritisierte, ohne das
Haider Zitat in voller Länge wiederzugeben. Der Falter wurde von Trieb
verurteilt, weil er eine Haider- Karikatur mit "Teufelshörnchen" abdruckte.
Damit sei Haider mit "dem absolut Bösen" identifiziert worden, ohne dass im Text
näher dargelegt worden wäre, worin das Böse nun bestünde (Kuriosum: Richter
Maurer sprach den Falter anschließend wieder frei).
Wie weit OLG- Richter Ernest Maurer in seinen Begründungen ging , illustriert
eine soeben erschienene Studie der Sprachwissenschaftler Alexander Pollak und
Ruth Wodak ("Der ausgebliebene Skandal", Czernin Verlag). Maurer verurteilte
Mitglieder einer Grünen Basisgruppe, die einem rechtsradikalen
Blut-und-Boden-Grünen Methoden von "anno nazimal" vorwarfen. Aus dem Urteil
Maurers: "Das Eintreten für Rassenreinheit, Erbgesundheitslehre und gegen die
Integration von Ausländer ist per se betrachtet nicht ehrenrührig". Die
Begründung wurde stillschweigend hingenommen.
Zurück zu Pfeifer: Andreas Mölzers Blatt nennt ihn einen "Tugendterroristen",
einen "Hetzer" und moralischen Mörder. Er macht ihn für den Tod eines Menschen
verantwortlich. Und zwar, weil Pfeifer einen Verstoß gegen das NS-Verbotsgesetz
durch einen Mölzer-Vertrauten thematisiert hatte. Mölzer, der "FPÖ-Vordenker",
machte ohne einen einzigen Beweis vorlegen zu müssen den "jüdischen
Journalisten" , der den vermeintlichen Neonazi kritisiert, zum eigentlichen
Täter. Genau hier, sollte man meinen, endet Meinungsfreiheit. Denn hier schlägt
sie in Beschimpfung, Unterstellung und Einschüchterung eines Menschen um.
Richter Bruno Weis, der Richter der ersten Instanz, hatte dies im ersten Prozess
Pfeifers gegen Zur Zeit erkannt. Jemand die moralische Mitschuld am Tod eines
anderen zu unterstellen und dafür keinerlei Beweise anzubieten, sei "kein
Lercherl", sagte er damals und verurteilte Mölzers Blatt.
Nun geschieht das Seltsame: Plötzlich entdeckt das von Zur Zeit angerufene und
sonst so strenge Oberlandesgericht die Weiten der Meinungsfreiheit. Der jüdische
Journalist, der eine "Lawine auslöste" (Richterin Doris Trieb) müsse sich den
Vorwurf, ein moralischer Mörder zu sein, gefallen lassen. Die Justiz findet
nichts dabei, dass ein kritischer Journalist von Rechtsextremen verhöhnt wird,
wenn er ihre braunen Umtriebe aufdeckt und sie derart vor den Kadi bringt. In
einem zweiten Prozess gegen Mölzer schloss sich Bruno Weis, ein erfahrener
Richter, dieser Rechtsansicht plötzlich an.
Die Menschenrechtskonvention verlangt Einschränkungen der Meinungsfreiheit, wenn
dies "zum Schutz des guten Rufes anderer in einer demokratischen Gesellschaft
notwendig ist". Der demokratische Diskurs sollte nach den Erfahrungen der
Naziherrschaft vor dem undemokratischen geschützt werden. Die Wiener Justiz hat
das anscheinend noch immer nicht ganz kapiert.
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Mölzers Mörder
Wie die Justiz einem jüdischen Journalisten sein Recht auf Ehre
gegenüber dem blauen Ideologen Andreas Mölzer verweigert
hagalil.com / 07-02-2002 |