Judentum ohne
Juden:
Was den christlich-jüdischen Dialog
blockiert
Von Iris Noah
Der christlich-jüdische Arbeitskreis aus L. veranstaltet ein
Wochenende in Berlin um das jüdische Leben in der Hauptstadt
kennenzulernen. Am Freitagabend steht der Besuch eines jüdischen
Gottesdienstes auf dem Programm. Am Sonnabend wird das jüdische
Museum besucht und am Sonntag ein jüdischer Friedhof. Zwischendurch
werden zwei Stadtführungen zu jüdischen Orten
von Pfarrer
Helmut Ruppel und der evangelischen Religionslehrerin Ingrid Schmidt
durchgeführt. Weil die Fahrt bei den Teilnehmenden ein sehr
positives Echo fand, soll nächstes Jahr eine ähnliche Fahrt nach
Prag stattfinden.
Schon 1999 stellte die französische Historikerin
Diana Pinto die Frage: "Wie sollen Juden damit umgehen, daß
zunehmend jüdische Räume von Nichtjuden initiiert, bevölkert und
sogar verwaltet werden?" Die Frage ist nach wie vor aktuell, denn
wie nicht nur das oben genannte Beispiel zeigt, wird Jüdisches
häufig ohne Juden verhandelt. "Jüdisches Leben" wird auf Museales
oder die toten Juden (Friedhof) reduziert. Ansonsten wird - wie bei
den genannten Stadtführungen - ein christlicher Blick auf das
Judentum vermittelt. Einzelfälle sind solche Wochenendfahrten nicht.
Juden sehen sich immer wieder in der Situation, daß über sie
gesprochen wird aber nicht mit ihnen, selbst bei Aktivitäten, die
ausdrücklich als "Dialog" bezeichnet werden. Gerade Berlin bietet
durch das große Spektrum jüdischer Aktivitäten - innerhalb und
außerhalb der jüdischen Gemeinde - vielfältige Möglichkeiten des
Kennenlernens und der Begegnung.
Ein katholischer Diakon bittet in einer
christlich-jüdischen Diskussionsliste im Internet die jüdischen
Teilnehmer ihm Material für seinen Vortrag "Moses Mendelssohn und
der Toleranzgedanke im Judentum" zur Verfügung zu stellen, da er vom
Thema keine Ahnung habe.
Als die angefragten Juden ihr Erstaunen äußern, daß
beim Treffen einer christlich-jüdischen Arbeitsgemeinschaft
ausschließlich ein Katholik zu einem jüdischen Thema referiert, zu
dem er sich auch noch als nicht kompetent bezeichnet, ist dessen
Reaktion: "Und wo ist das Problem?".
Für Juden in Deutschland ist es ermüdend, immer
wieder erklären zu sollen, was eigentlich eine
Selbstverständlichkeit sein sollte: Daß sich zu jüdischen Themen
erst einmal Juden äußern, so wie es völlig ungefragt Standard ist,
daß zum Abendmahlsverständnis der evangelischen Kirche zuerst
Protestanten befragt werden.
Derartige Forderungen - wenn sie überhaupt erhoben
werden - werden dann meist schnell vom Tisch gewischt. Es gäbe keine
kompetenten jüdischen Gesprächspartner in erreichbarer Nähe oder man
habe neulich erst einen inkompetenten jüdischen Referenten erlebt.
Ein
evangelisches
Erwachsenenbildungswerk in der Pfalz gibt eine Referentenliste zu
jüdischen Themen heraus. Aufgeführt werden ausschließlich Christen.
Jüdische Referenten, die es in der Region durchaus gäbe- die
Hochschule für jüdische Studien ist nicht weit
- , werden nicht genannt.
Mehrere Nachfragen
bei diesem Bildungsträger nach dem Warum bleiben unbeantwortet.
Alle diese Beispiele zeigen, mit welchen Mechanismen
- bewußt oder unbewußt - Juden immer wieder aus jüdischen Themen und
auch dem christlich-jüdischen Dialog ausgegrenzt, an eine
Randposition verwiesen oder im Extremfall unsichtbar gemacht werden,
indem die Angehörigen der christlichen Dominanzkultur darauf achten
ihre dominante Position aufrechtzuerhalten. Sie bestimmen alleine,
wann welche Themen verhandelt werden und wer dafür als kompetent
erachtet wird.
Die langfristigen Folgen einer solchen Grundhaltung
führen dazu, daß einseitig geprägte Bilder vom Judentum vermittelt
und aufrecht erhalten werden und Vorurteile und Klischees über Juden
weitergegeben werden wie sie etwa der folgende Witz transportiert,
der in der Berliner Osterkirche am Israelsonntag 2004 als Hinführung
zur Predigt erzählt wurde:
Pfarrer zum Juden: "Ich will Ihnen eine hübsche
Geschichte erzählen: Ein Jude wollte in den Himmel. Petrus wies ihn
ab. Der Jude versteckte sich aber hinter der Türe und als Petrus
nicht achtgab, schlüpfte er hinein ... Drin war er nun, und man
konnte ihn auf keine Weise loswerden. Aber Petrus hatte einen
großartigen Einfall: Er ließ vor der Himmelstüre draußen die
Versteigerungstrommel schlagen - da rannte der Jude schnell hinaus
und Petrus schloß hinter ihm zu."
Der Jude: "Die Geschichte ist noch nicht fertig. Durch die
Anwesenheit des Juden war der Himmel entweiht und mußte neu geweiht
werden. Man suchte daher im ganzen Himmel nach einem Pfarrer - es
war kein einziger zu finden"!
Der Jude wird als hinterlistig dargestellt, der sich
durch einen Trick Zugang zum Himmel verschafft. Man kann ihn nicht
loswerden, weil er so unangenehm klebrig ist. Erst mit Geld ist er
zu ködern. Und schließlich bekommt er noch die Funktion zugeschoben,
dass er durch seinen Humor den Judenwitz zum jüdischen Witz machen
darf.
Eine Gesprächskultur, die mehr jüdischen
Teilnehmenden Lust zum Dialog mit Christen macht, ist von Respekt,
Einfühlungsvermögen für die Situation des Gegenübers und dem
Bemühen, immer wieder auch die Rahmenbedingungen dieses Gesprächs zu
bedenken und zu verändern, geprägt: Eine Gesprächskultur, die
Verschiedenheit schätzt, Unterschiede stehen lassen kann und auch
den Reichtum wahrnimmt, der darin verborgen liegt.
In den letzten Jahren habe ich immer wieder Gruppen
erlebt, denen das ein Anliegen war und wo das Gespräch von allen
Beteiligten als gelungen erlebt wurde. In kreativen Zugängen zu
biblischen Texten - wie etwa dem Bibliodrama - wird besonders
eindrücklich sichtbar, wie unterschiedlich und vielfältig die
jüdische und die christliche Tradition sich auf den gleichen Text
beziehen. Seit über 10 Jahren organisiert Professor Peter von der
Osten-Sacken vom Institut für Kirche und Judentum alle zwei Jahre
die christlich-jüdische Sommeruniversität. Dort halten christliche
und jüdische Lehrende Seminare zu einem Rahmenthema ab. An den
Abenden finden öffentliche Vorträge und Diskussionen statt. Ich
wünsche mir, daß solche Ansätze einen größeren Raum im Miteinander
der verschiedenen religiösen Traditionen gewinnen.
Die Verfasserin arbeitet als Bildungsreferentin zu jüdischen Themen,
sowie für
berlin-judentum.de. Dieser Artikel erschien in der
Evangelischen Wochenzeitung "Die
Kirche".
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you, to participate the story":
Bibliodrama / Bibliolog im christlich - jüdischen Gespräch
Es beginnt nicht von
ungefähr in der Kapelle der Bildungsstätte. Peter Pitzele
demonstriert BIBLIOLOG – seinen BIBLIOLOG – hautnah, dramatisch und
mit viel Verve...
Gesellschaft für
christlich-jüdische Zusammenarbeit:
Pessach im christlichen Religionsunterricht
In den letzten Jahren gibt es immer
mehr christliche Gemeinden oder Gruppen, die "Pessach-Feiern"
veranstalten. Auch im Religionsunterricht greift diese Praxis um
sich. Dabei wird mit dem "erlebnis- und handlungsorientierten
Konzept" argumentiert...
Ehrliches Interesse oder bewusste Verfälschung:
Wenn
Christen Pessach feiern ...
Wie sollen wir als Juden damit
umgehen? Manche sehen darin ein Zeichen positiven Interesses von
Christen. Andere sind beunruhigt über die - nicht immer bewußte -
Verfälschung, Umdeutung und Vereinnahmung jüdischer Tradition...
hagalil.com
13-10-04 |