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What do they tell about us - Was sagen sie über uns ?

Von Iris Noah

In den englischsprachigen Ländern gibt es im Bereich der "Ethnic Studies" seit einigen Jahren Diskussionen zur Fragestellung: "What do they tell about us"? Gemeint ist damit, was Angehörige der Mehrheitskultur ("they") über Minderheiten ("us") sprechen: Was wird wie erzählt, was wird verschwiegen, verdrängt und ausgeblendet. Welche Bilder und Stereotypen über Minderheiten werden weitergegeben? Welche Machtverhältnisse spiegeln sich in den Darstellungsweisen? In Deutschland ist diese Debatte über ihre Anfänge noch nicht hinausgekommen (Bilder von Schwarzen). HaGalil online wird dieser Fragestellung in einer Serie nachgehen, wobei es naheliegenderweise um die Darstellung von Juden, jüdischem Leben und jüdischen Traditionen gehen wird.

Teil 6: "Rosenstraße" und "Schimanski"

Manfred Alpern berät Filmproduktionen, die Filme mit jüdischen Themen drehen

Von Esther Slevogt

Nur aufmerksamen Lesern des Abspanns von Margarethe von Trottas gefeiertem Film über den Frauenprotest in der Rosenstraße werden auch die Namen von Hermann Simon und Manfred Alpern im Abspann aufgefallen sein, wo sie als historische Berater genannt werden. Hermann Simon, Chef des "Centrum Judaicum" für die historischen und Manfred Alpern, Gabbai in der Synagoge Pestalozzistraße und langjähriger Inspektor auf dem Friedhof Weissensee, für die religiösen Details.

Gleich zu Beginn des Films verhängt Jutta Lampe (alias Ruth Weinstein) alle Bilder, Spiegel und das Fernsehen in ihrem New Yorker Appartement. Ihr Mann ist gestorben und für die Familie beginnt das Schiwa-Sitzen. Und obwohl auch Manfred Alpern rituell gesehen an dieser Szene überhaupt nichts auszusetzen hat, empfindet man den Vorgang auf der Leinwand insgesamt doch seltsam pathetisch, mit merkwürdiger Steifheit vollkommen unselbstverständlich in Szene gesetzt.

"Das ist ja alles bloß telefonisch gelaufen," sagt Alpern immer noch enttäuscht. Nie hat er jemanden von der Produktion persönlich kennen gelernt. Vier Monate lang führte er täglich endlose Gespräche, mit Requisiteuren, Ausstattern, Kostümbildnern und Regieassistenten – immer wieder irritiert von einer ziemlich flächendeckenden Ahnungslosigkeit über Details der jüdischen Religion. Früher, sagt er, also vor dem Krieg, sei das ganz anders gewesen. Da hätten beispielsweise die nichtjüdischen Konfektionäre rund um den Hausvogteiplatz, mit denen sein Vater geschäftlich viel zu tun hatte, immer eine Kippa in der Tasche gehabt, um etwa für kurzfristige Einladungen zum Schabbat bei jüdischen Geschäftsfreunden gewappnet zu sein. Aber dieses Bewusstsein sei ausgerottet wie die einst so große Berliner Jüdische Gemeinde.

"Sie müssen sich bloß mal Filme anschauen, die irgendwie jüdische Inhalte haben. Da passieren Dinge, die sind in fünftausend Jahren Judentum noch nie vorgekommen." Erst im letzten "Schimanski", der im orthodoxen Milieu Antwerpener Diamantenhändler beginnt, hat er Frauen mit Kopftüchern in der Synagoge sitzen sehen. "Kopftücher im Judentum!" Da kann sich Alpern nur schütteln.

Auch eine Rosa-Roth-Folge mit Iris Berben, wo zwei alte Nazis in Israel sterben, findet er an den Haaren herbei gezogen. "Die wären nämlich gar nicht ins Land gekommen, weil alle Nazijahrgänge zur Einreise ein Visum brauchen. Die Leute, die heutzutage Filme über Juden drehen, haben vom Judentum soviel Ahnung, wie ich von der Feuerwehr in Korea!"

Besonders aufgeregt hat ihn der SWF-Tatort "Der Schächter" in dem ein Straßburger Schächter unter Mordverdacht gerät und ein fast noch jugendlicher Staatsanwalt diesen Verdacht mit uralten antisemitischem Gerede über christliches Kinderblut in jüdischer Mazze begründet. Sowas sollte nun aufklärerisch sein, tatsächlich würden aber bloß antisemitische Klischees wieder aufgewärmt. In Rage bringt Alpern auch, wenn Filmproduktionen nach "Kindern jüdischen Aussehens" fragen. "Da frage ich immer: wie sehen jüdische Kinder denn bitte aus? Vielleicht mit Hörnern?" Seit etwa zwanzig Jahren arbeitet Manfred Alpern immer wieder als Berater für jüdische Fragen beim Film.

Alles begann Mitte der achtziger Jahre mit der von Atze Brauner produzierten Serie "Levin und Gutmann", in der es um eine orthodoxe und eine liberale jüdische Berliner Familie ging. Maria Brauner empfahl ihn damals als Berater für die religiösen Finessen und Alpern erinnert sich immer noch lebhaft an Streitgespräche mit Wolfdietrich Schnurre, der das Buch zur Serie geschrieben hatte und nicht selten der Ansicht war, er wisse mehr über das Judentum als Manfred Alpern. Schnurre, der aufs Rechthaben beharrt hätte, selbst wenn es sich um solchen Unsinn wie "treife Challa" handelte. Die Auseinandersetzung darüber führte Alpern und Schnurre damals bis zum orthodoxen Rabbiner David Weisz, der natürlich Alpern recht gegeben hat. Ein Loblied singt Alpern dagegen auf den Schauspieler Max Tidof, der in Jorgo Papavassilous Krimi "Liebe unter Verdacht (mit Michael Degen und Natalia Wörner) den Sohn des jüdischen Mordopfers spielte. "Ein fantastischer Junge. Während der Autofahrt zum Drehort hat der von mir das Kaddisch gelernt. Ich habe es ihm ein paar Mal vorgesagt und dann saß es, als wäre er damit geboren worden!" Von der allgemeinen Schelte ausgeschlossen sind auch Sat 1-Produktionen. "Die haben einen jüdischen Requisiteur. Der arbeitet sehr genau."

Ansonsten tun die deutschen Medien seiner Ansicht nach nichts dafür, dass der Umgang mit jüdischen Themen und Inhalten hierzulande wieder normaler wird. Jüdisches kommt ihm zu oft bloß als Klischee, als pittoreske Umrandung vor. Bestätigt antisemitische Klischees, statt sie zu brechen. Wieder das Beispiel Schimanski, wo latent mit dem Motiv jüdischer Geheimbünde gespielt wird. Selbst gutgemeinte Medienarbeit findet er sinnlos, weil es die Leute sowieso nicht annehmen. "Dies ist eben kein normales Land", sagt Manfred Alpern, Modell Urberliner, Schnauze mit Herz. "Auf den Titel pfeif' ich. Mich verbindet nichts mit diesem Land, dieser Stadt. Wenn ich könnte, wär' ich schon morgen woanders."

Erstveröffentlichung in: Jüdisches Berlin, Februar 2004

Zum Weiterlesen:
Rosenstraße - Filmkritik

"Sie lügen und sie mauscheln...":
Das Judenbild im neueren deutschen Film

What do they say about us?

Teil 1: "gehen & sehen" ein Stadtrundgang
Teil 2:
Bei den Pflanzen der Bibel im botanischen Garten
Teil 3:
Judensonntag - Tag der Judenmission - Israelsonntag
Teil 4:
Israelsonntag: Jesus weint über Jerusalem
Teil 5: Im Kino: Rosenstraße

Teil 6: Black Atlantic -  Schwarze in Deutschland

hagalil.com 2004-02-24


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